Hans-Georg Kaiser
Laut und leise
Leise sein ist kein Versagen,
wenn es aufgezwungen wird.
Laut sein ist kein Verbrechen,
wenn es die Umstände erfordern.
Lautes gibt es, weil es das Leise gibt.
Leise sein darf nicht verordnet werden,
denn dann ist es nur noch Totenstille,
erzwungene Friedhofsruhe.
Dann ist es vielleicht die Kälte im Krankenhaus,
die Gleichgültigkeit der Angehörigen,
die Verzweiflung und die Angst
der Ungeliebten.
Laut sein darf man nicht aus Gemeinheit,
denn dann ist es rücksichtslos und dumm
laut zu sein.
Geküsst wird laut und leise.
Ein leises Lied kann Millionen bewegen,
ein lärmender Marsch aber auch.
Laut sind die Bulldozer und die Jahrmarktschreier,
leise Verliebte beim finnischen Tango.
Glück haben jene, die nicht leise sein müssen.
Unglücklich sind die, die verletzt aufschreien.
hansgeorgkaisergedichte.blogspot.de
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