Keiner weiss, was er sagen soll. Also singen wir. Der ganze Saal.

DER MOND IST AUFGEGANGEN...

" Es ist dann der Schauspieler Michael Gwisdek, der die Sache an sich reißt und anschaulich beschwört, was es eigentlich bedeutet, mit dem Regisseur Jürgen Gosch zusammenzuarbeiten, dessen grandiose DT-Inszenierung von „Onkel Wanja“ erst vor wenigen Tagen zur Inszenierung des Jahres gewählt wurde. Dazu muss Gwisdek aufstehen und an die Rampe treten. „Ich mach das mal vor, ja? Ich kam also da zur Probe von ,Leonce und Lena’ (Goschs Skandalinszenierung an der Volksbühne aus dem Jahr 1978) und war vorbereitet und alles und dachte: So. Text. Büchner. Wir wollen wat. Los geht’s.“

Gwisdek stößt kraftvoll die Faust in die Luft. „Aber et ging nich los. Mischa – er hat mich immer Mischa genannt – also: Mischa, stell dich doch einfach mal da hin. Ja. Gut. Und nu? Nüscht! Guckt der mich einfach nur an.“ Lange Pause. „Mischa, zieh doch mal dein Jackett aus. Mein Jackett? dachte ich. Und Büchner? Na jut, hab ick och jemacht.“ Sehr lange Pause. „Mischa, zieh doch mal bitte dein Hemd aus.“ Wie man sich bei Michael Gwisdek vorstellen kann: Die Anekdote dauert noch lang. Am Ende erzählt er, wie er in Unterhosen vor dem Schauspielerkollegen Hermann Beyer stand, der ebenfalls nur Unterhosen trug, und „am Gummi von dessen Schlüpper“ schnicken sollte. Als die Lacher verebbt sind, setzt Gwisdek die letzte effektvolle Pause, bevor er seine Gosch-Erklärgeschichte gerührt abschließt: „Wat ick damit sagen will: Der Jürgen hat mir die Kunst des Nicht-Spielens beijebracht.“

Alle sind da. Ganz Theater-Berlin sitzt am Samstagabend im großen Saal am Hanseatenweg, um zusammen mit der Akademie der Künste den Regisseur Jürgen Gosch zu ehren. Obwohl er aus Krankheitsgründen gerade seine „Faust“-Inszenierung in Wien absagen musste, ist auch Gosch gekommen und hört mit feinem Lächeln zu..."

Der Tagesspiegel v. 08.09.2008

www.tagesspiegel.de/kultur/Juergen-Gosch-Theater-Berlin;art772,2609669