Das Direktorenzimmer des Weimarer Bauhausgebäudes ist ein erstrangiges Dokument der Heiratspolitik der Weimarer Republik.
„Auf den Fußböden lagen als Teppiche die seelischen Komplexe junger Mädchen“ Hanns Meyer
Der repräsentativ auf dem Boden liegende Teppich wurde im November 1924 (!), nicht 1923 Teil der programmatischen Ausstattung des Direktorenzimmers. Es handelt sich um eine Arbeit der Studentin Gertrud Hantschk, die kurz vor ihrem Abschluss den Mitstudierenden Alfred Arndt heiratete (Eine von 9 „Bauhausehen“). In „Die Frau als Künstlerin“ (1928) findet sich der Hinweis, dass ein Kunststudium für Frauen noch immer als Überbrückungsphase zwische n der Emanzipation vom Elternhaus und einer Heirat angesehen wurde. Der Autor dieser Publikation, der Kunstwissenschaftler Hans Hildebrandt, war seinerseits mit einer ehemaligen Kunststudentin verheiratet. Mit Lily Hildebrandt, zur Zeit der Aufnahme in eine heftige Affäre mit Walter Gropius verstrickt, dem in diesem Zimmer waltenden Direktor des Bauhauses. Damit war sie sicher vor den ständigen Nachstellungen Oskar Schlemmers, der -noch in Stuttgart tätig und eingebunden in den Kreis zur Förderung der „Modernen“ um Hans Hildebrandt- gerne mit den Worten zitiert wird: „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt. Und sei es bloß zum Zeitvetreib.“ Und sie konnte in der Hochphase der Inflation etwas für Ihren körperlich behinderten Mann, eben jenen Hans Hildebrandt, bewirken. Der mit seiner Frau fremdgehende Gropius versorgte ihn noblerweise, ganz upper-class (Offizier und Gentlemen), mit der Vermittlung einiger Aufträge. Zum Beispiel für Reiseführer. Und versprach ihm an ihn zu denken, wenn er – wie geplant- eine Professur für Kunstwissenschaft am Bauhaus einrichten könne. Aber daran dachte er nachweislich nie. Zeitgleich verhandelte er mit Carl Einstein über einen Ruf ans Bauhaus. Der reiste auch, zusammen mit seiner ebenfalls am Bauhaus studierenden Geliebten Tony Simon-Wolfskehl, zu einem Gespräch nach Weimar. Die Professur wurde aber letztlich nie eingerichtet und Einstein resümierte für sich, dass er das Eingebundensein in ein Institution ohnehin nicht ausgehalten hätte. Auch die geplante Heirat mit Tony-Simon-Wolfskehl platzte. Ihr Vater, ein Frankfurter Bankier mit einer großen Sammlung expressionistischer Kunst, war gegen die Beziehung zu einem brotlosen Literaten. Einstein ließ sich ab da bekanntlich von der Grafin vom Hagen aushalten, betrieb seine Kunstvermittlungen und -veröffentlichungen von Berlin-Frohnau aus und half der Gräfin hier und dort beim Verfassen der „Hunderassen“ (1931). Seine 1931 in dritter Auflage erschienene „Kunst des 20. Jahrhunderts“ wurde europaweit zum Standardwerk, die zeitgleich veröffentlichte „Kunst des 20. Jahrhunderts“ von Hans Hildebrandt fand kaum Beachtung. Irgend wie hängt einfach alles mit allem zusammen.
Kunst, da waren sich die Herren Architekten, Ingenieure und Gestalter am Bauhaus einig, hatte am Bauhaus bestenfalls einen randständigen Platz. Gerade gut genug für die weiblichen Studierenden die ohnehin ja als „unfruchtbar im Bereich der Architektur“ (Hildebrandt, 1928) zu gelten hätten. Aber „der Trieb, das Leben zu verschönen, gehört zu den Urtrieben des Weibes“ (ebd.) und kann sich im Kunstreservat frei austoben. Dieser Freiraum für das„Angeborene primitive Künstlertum“ (ebd.) war aber nichts anderes als das moderne Derivat des Gefängnisses der Häuslichkeit.
Das hatte die Bauhausstudentin Gertrud Arndt, geborene Hantschk richtig durchschaut und weigerte sich beharrlich, bis ins hohe Alter, ihr „Schaffen“ in die Kunstecke abgeschoben zu sehen.
Nachtrag: Tony Simon-Wolfskehl, der ersten StudentIN von Walter Gropius, gelang 1936 die Flucht nach Belgien, wo sie bis 1991 lebte, eng befreundet mit Hugo Claus ("mein lieber Junge"), dem Ehemann von Sylvia Kristel.
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