Die gesellschaftliche Vermittlung des Wissens ist an Rituale gebunden. Die Institution des Seminars ist eine solche ritualisierte und ritualisierende Form der gesellschaftlichen Vermittlung. Ihr normatives Gerüst ist streng und begrenzend. Sprecherrollen und Rederechte sind unausgesprochen geregelt. Ihnen fügt sich, wer am Seminar teilnehmen will.
"...das Wissen hat man sich selbst beibringen müssen, und die Dozenten haben einen in der Methode der Forschung unterrichtet, das hieß normalerweise Kleiderordnung, Anmerkungen, Form der Seminararbeit, des wissenschaftlich einwandfreien Typoskripts. Auch diese Sachen habe ich mir nicht ungern angeeignet, Ordnung ist schließlich in allem, gerade im äußerlichen, ein wunderbarer Halt des Schönen, aber den wirklichen Forscher, den ich darüber hinaus gesucht habe, habe ich in keinem meiner Seminare gefunden." rainald goetz
Dennoch erscheint manchem genau diese kommunikative Gattung, die "Idealform des Seminars", wie der reale Vorschein einer idealen Sprechsituation. Das Seminar beschreibt nach dieser Lesart Kommunikationsverhältnisse, die "Gegenseitigkeiten und Distanz, Entfernung und gelingende, nicht verfehlte Nähe, Verletzbarkeiten und komplementäre Behutsamkeit" zulassen. Es ist der Ort, wo sich Subjekte auf der Suche nach dem Wahren, Schönen und Guten in der "Halbtranszendenz der Sprache" treffen.
Der Bewußstseinsstrom eines sich ohne einschränkendes Konzept, in freier Rede ergehenden Subjektes, trägt den Verweis auf diese Form der Intersubjektivität immer unausgesprochen mit sich und heißt deshalb nicht zu unrecht SEMINAR.
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