Florenz gefällt mir nicht mehr; ich gehöre nicht zu dem Hasengeschlechte, das nirgends am liebsten ist, als wo es geheckt ward. Unsre großen Männer haben wir gehabt; Tacitus sagt mit Recht, daß nach der Schlacht bei Actium in Rom kein großer Mann mehr aufstand. Wo der Bürger nichts mehr zu sagen hat, da ist es mit der Vaterlandsliebe eitel Ziererei.
Ein so großer Freund ich auch von Geschäftigkeit bin, so ekelt mich doch die bloße Schuster- und Schneider- und Tuchknappengeschäftigkeit an. Ro mulus, der hohe Geist, verbot aus gutem Grunde jedem Mitgenossen seiner Republik die niedern Handwerke; und dies wurde hernach so zur Sitte, daß noch jetzt im dritten Jahrtausend die Teutschen und Spanier und Franzosen dieselben schier allein noch in den Ruinen der alten Herrlichkeit treiben. Sokrates wollte den nicht zum Gefährten durchs Leben, der auf Geld und Gut erpicht zu nichts Edlerm Muße hätte; und bei den stolzen Ottomanen kann der Überwundne und Sklave noch heutzutag alle Schuld deswegen aufs Schicksal schieben.
Florenz macht einen starken Kontrast mit Rom, alles regt und bewegt sich, und läuft und rennt und arbeitet; und das Volk kömmt einem trotzig und übermütig und ungefällig vor gegen das Stille, Große und Schöne der Römer. Der Römer überhaupt hat gewiß einen höhern Charakter. Die Politiker mögen die menschlichen Ameisenhaufen rühmen und preisen, sosehr sie wollen, und diese selbst auf ihre Arbeitsamkeit sich noch soviel einbilden: Maul und Magen, denn dieserwegen geschieht's doch, ist wahrlich nicht, was den Menschen über das Vieh setzt! Wo nicht gemeinschaftliche Freiheit der Person und des Eigentums und Rang in menschlicher Würde vor seinen Nachbarn der erste Trieb und das Hauptband einer bürgerlichen Gesellschaft ist, veracht ich alles andre, und jedes Verdienst kömmt in kurze Berechnung.
Der Boden trägt freilich auch viel hierzu bei; Rom hat das Mark von dem mittlern Italien und Toskana die Knochen, nach dem alten Sprichwort. Auch erhebt die Gegend nicht so, und Florenz fehlen die majestätischen römischen Fernen.
An unserm Hofe herrscht eine unerträgliche Langeweile; alles muß sich in den Ton des Monarchen stimmen.
Der Minister ist geschwind schon ein Chamäleon geworden und nimmt alle Modefarben an. Verschiedne von meinen angegebnen Einrichtungen sind wieder abgeändert, und die andern werden nachlässig betrieben. Alle Heilungsmittel eines Hippokrates sind vergeblich, wo die Natur sich nicht selbst hilft. Ich muß auf und davon, weil ich das Verderben nicht mehr mit Augen ansehen kann. Wenn man nichts Bessers weiß, so mag es sich ertragen lassen; o Griechenland und Rom, wie glücklich macht ihr unsre Phantasie und elend unser wirklich Leben! Aber wo soll ich hin in dem ganzen jetzigen Italien? Da ist keine Ausflucht, keine Sphäre für einen gesunden Kopf und Arm zu handeln. Mut und Geschick schmachtet überall ohne Gegenstand und Ausübung wie im Kerker.
Um noch einmal von dem leidigen Minister zu reden: so hat der Fuchs ein paar bestialische Grundsätze angenommen, von welchen der erste ist: man dürfe nie gescheiter scheinen als der Herr; und der zweite: alle guten Köpfe, denn jeder ist ihm ein Dorn im Auge, besonders Gelehrten, in der Ferne halten.
Für einen, der gern im trüben fischt, hätte sie kein Machiavell besser ausdenken können. Und bei den meisten Höfen erkennt man gleich daraus, daß da keine Philippe, Alexander, Cäsarn und Mark Antonine herrschen.
Es kann eben keiner höher, als ihm die Flügel gewachsen sind.
Wilhelm Heinse: Ardinghello und die glückseligen Inseln, Teil V, Lemgo 1787
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