"Anfangs war ich auch noch nicht allzu beunruhigt, als ich sah, dass sie [... ]die Gemälde fotografierten, empfand dies zwar als ein wenig lästig und leicht aufdringlich, aber kaum verwerflich. Doch dann ereilte mich die traurige, schockierende Wahrheit. Die meisten der Fotografen drückten auf den Auslöser, ohne ein Interesse daran zu zeigen, sich die Bilder selbst anzusehen. Ein flüchtiges Hinsehen war das Höchste der Gefühle.

Ich wurde nicht von Leuten zur Seite geschupst und gedrängelt, die unbedingt einen besseren Blick auf die in einem der besten Museen der Welt ausgestellten Kunstwerke ergattern wollten, sondern von Handy-Besitzern, die auf grobe Weise zu verhindern versuchten, dass jemand ihnen den erwünschten Aufnahmewinkel verstellte. Sie waren nicht gekommen, um die Werke künstlerischer Genies zu sehen und sich von diesen inspirieren zu lassen, sondern um fotografische Beweise dafür herzustellen, dass sie da gewesen waren.

Als Mensch, dem viel an Fairness liegt und der immer gewillt ist, im Zweifel für den Angeklagten zu urteilen, zog ich wohlwollend die Möglichkeit in Betracht, dass diese Leute die Fotos machten, um die Bilder dann ausführlich und im Detail in der Behaglichkeit des eigenen Zuhauses zu studieren – und nicht bloß von Menschenmassen umringt einen hastigen Blick darauf werfen zu können. Da ich aber auch Realist bin, verwarf ich diese absurde These umgehend."

Der Freitag

Nervensägen | 17.05.2009 14:00 | Marcel Berlins, The Guardian



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